Laut einer OECD-Studie aus dem Jahr 2015 gehört Deutschland zu den nachhaltigsten Industrienationen der Welt und belegt von isgesamt 34 Plätzen den sechsten Rang. Das wachsende Bewusstsein für Umwelt und Soziales zeigt sich auch anhand der Auswahl ethisch-ökologischer Investmentfonds. Doch was bedeutet dieses Bewusstsein wirklich, wenn Herstellungsketten meist durch Intransparenz glänzen? Ob China, Indien oder Bangladesch – hier werden Jeans unter schädlichsten und menschenunwürdigsten Voraussetzungen hergestellt. Leidtragende sind die Arbeiter, die unter desaströsen Bedingungen ausgebeutet werden und ihre Gesundheit auf’s Spiel setzen, durch verseuchte Flüsse und verpestete Luft. Hinzu kommen laut Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation weltweit 265 Millionen Kinderarbeiter. Davon arbeiten 168 Millionen regelmäßig mehrere Stunden pro Tag. Und wie sieht es in puncto Umwelt aus? Stichwort „Palmöl“. Ob Pizza, Waschmittel oder Lippenstift: Jedes zweite Produkt aus dem Supermarkt enthält Palmöl oder Palmkernöl, für deren Gewinnung große Teile der Regenwälder vernichtet werden. Auch der Vorstandsvorsitzende der Ökoworld AG Alfred Platow weiß, wie schwierig es ist, ausschließlich ethisch-ökologische Marken in ihr Investmentfonds-Portfolio aufzunehmen.
Alfred Platow gehört nicht zu den ‚gewöhnlichen‘ Groß- und Außenhandelskaufmännern. Fünf Jahre lang studierte er Sozialarbeit an der Fachhochschule Düsseldorf. Einer seiner Kommilitoninnen war die Grünen-Politikerin Renate Künast. Er ist Ex-Hausbesetzer, Atomkraftgegner und überzeugter Pazifist. Mitte der 1970er Jahre verband er seine soziale Ader mit seinem kaufmännischen Know-how und gründete „versiko“, eine Versicherungsagentur für alternative Kleinbetriebe. Nach einer Kooperation mit der Ökobank (Gründung 1988) entwickelte sich daraus über die Jahre die Ökoworld AG mit hauseigener Kapitalanlagegesellschaft, die seit 1996 zu den Pionieren ethisch-ökologischer Investmentfonds zählt.
Redaktion: Wie definieren Sie die Begriffe „ethisch“ und „ökologisch“?
Alfred Platow: „Wir definieren unseren Ansatz ganz klar über das Menschsein. Überlebenskriterien sind unser Hauptmerkmal. Die Schwerpunkte unserer Investition sind Gesundheit, Ernährung und Bildung. Auch erneuerbare Energie, umweltfreundliche Mobilität, intelligente Kommunikation und nachhaltiges Bauwesen. Ausschlagendes Kriterium des Ökovision-Fonds ist, im Voraus immer Folgendes zu überdenken: Wie alt möchte ich werden und wie erreiche ich das Alter am bestmöglichen? Wir schließen demnach alle Aktivitäten eines Unternehmens aus, welches das Menschsein beeinträchtigt, seien es die Atomenergie, die Chemieindustrie oder Konzerne, die zum Beispiel Sklaverei oder Menschenhandel tolerieren.“
Bekleidungsindustrie ist eine Blackbox
Speziell die Bekleidungsindustrie wird geächtet, wenn es darum geht, Herstellungs- und Lieferketten zu 100 Prozent transparent zu machen. Von den weltweit 168 Millionen Kinder- und Jugendarbeitern (zwischen fünf und 17 Jahren) werden 85 Millionen Kinder in besonders gefährlichen Arbeitsbereichen eingesetzt. Dazu zählen vor allem Sklaverei, der Einsatz von Kindersoldaten, Kinderprostitution, Kinder als Drogenkuriere zu missbrauchen und jegliche andere Tätigkeiten, die die Sicherheit und Gesundheit der Kinder gefährden. Allein in der Landwirtschaft wird von rund 99 Millionen Kindern ausgegangen, dazu kommt der Bergbau, verarbeitendes Gewerbe, Tourismus, Produktion von Waren und Dienstleistungen. Gerade im Bereich der Lieferketten sind Kontrollen durch Arbeitsinspektionen, Gewerkschaften und Verbraucherorganisationen häufig Mangelware. Bis zum Jahr 2050 haben sich fast alle Staaten dazu verpflichtet, Kinderarbeit in ihren schlimmsten Formen vollständig zu verbieten.
Redaktion: Wie stellen Sie sicher, dass ihre Fonds ausschließlich ethisch-ökologische Firmen beinhalten? Können Sie die Produktionskette zu 100 Prozent überprüfen, bevor Sie die Marke in Ihr Angebot integrieren?
Alfred Platow: „Die Bekleidungsindustrie ist eine Blackbox. In der verästelten Lieferkette gibt es massive Probleme. Menschenrechte werden verletzt, Rohstoffe und Wasser in der Produktion sind die andere kritische Seite. Daher haben es bei uns auch nur zwei Unternehmen ins Anlageuniversum geschafft. Marks & Spencer, die bezüglich ihres Bekleidungssortiments ein vorbildliches Handbuch befolgen. Das andere Positivbeispiel ist Woolworth aus Südafrika – ein Einzelhandelsunternehmen, das auch Textilien anbietet. Nicht zu verwechseln mit den Woolworthmärkten, die wir aus Deutschland kennen. Die Namensgleichheit bedeutet nicht, dass es sich um dieselbe Marke handelt. Die haben nichts miteinander zu tun.“
Um ausbeuterische Kinderarbeit konsequent aus ihrem Anlageuniversum ausschließen zu können, hält sich Ökoworld an die Richtlinien der ILO (International Labour Organisation). Hierbei handelt es sich um Kriterien, die sich aus den Kernkonventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) ergeben. Nachzulesen auf Seite 9 des Jahresberichtes der Kapitalanlagegesellschaft Ökoworld LUX S.A. .
Nachhaltigkeit: Pharmaindustrie und Futtermittelhersteller versagen
Zu diesem Schluss kam der WWF durch seinen Palmöl-Check 2015. 200 deutsche Unternehmen wurden zu ihrem Einkaufsverhalten im Bereich Palmöl befragt. 75 Konzerne, die alle aus den Bereichen Pharma- und Futtermittelindustrie kommen, verweigerten eine Auskunft. Darunter fallen zum Beispiel Bayer, Merck, Deutsche Tiernahrung, Cremer und Agravis Raiffeisen. Sechs Unternehmen machten zwar konkrete Angaben, bekamen aber eine schlechte Bewertung. Allein die pharmazeutisch-chemischen Unternehmen verbrauchen jährlich rund 155.000 Tonnen Palmöl. Noch bedenklicher wird es bei dem Gebrauch von zertifiziertem Palmöl, der in der Pharma- und Chemieindustrie bei 12 und bei Tierfutterherstellern bei gerade mal einem Prozent liegt. Trotz der negativen Verbrauchsstatitisk in den beiden Segmenten nutzen im Vergleich zum Jahre 2013 immerhin schon 62 Konzerne ausschließlich zertifiziertes Palmöl. Vor drei Jahren waren es nur 29 Unternehmen.
„Positiv ist, dass immer mehr Unternehmen zertifiziertes Palmöl nutzen und sich mit ihrer Lieferkette auseinander setzen“, so die WWF-Referentin Ilka Petersen. Die volle Punktzahl erreichten die beiden Unternehmen Daabon und Agrarfrost.
Doch laut der WWF-Studie „Auf der Ölspur“ wäre ein plötzlicher Verzicht auf einen der wichtigsten Rohstoffe der Welt auch keine Lösung. Würde ganz Deutschland gänzlichst auf Palmöl und Palmkernöl verzichten und dieses durch Alternativen, wie Soja- oder Kokosöl substituieren, würde dies die Situation nur noch verschlimmern. Im Klartext hieße es, dass noch mehr Flächen benötigt werden, die wiederrum noch mehr Tier- und Pflanzenarten vertreiben, beziehungsweise vernichten und auch die Treibhausgasemissionen nähme weltweit zu.
Redaktion: Der Begriff „ethisch-ökologischer Fonds“ unterliegt bisher keinen Mindeststandards. Auch der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird unterschiedlich definiert. Woran sollten sich Kunden orientieren, bevor sie einen Abschluss tätigen?
Alfred Platow: Am transparenten Kriterienkatalog. Einer ausführlichen Verschriftung der Positiv- und Negativ- sowie Ausschlusskriterien. Sind die Anlageziele, Anlagegrundsätze und Anlagebeschränkungen konsequent und glaubwürdig? Ein weiterer Ansatz ist der Investmentprozess. Dieser sollte getrennt sein. D.h., dass eben nicht die Fondsmanager die Entscheidung fällen, ob ein Unternehmen nachhaltig im Sinne von Ethik, Ökologie oder Sozialem ist. Das Prinzp ist einfach: Die Portfolio Manager dürfen ausschließlich in Titel investieren, die aufgrund der Überprüfung von vorab definierten sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien in das Anlageuniversum aufgenommen wurden.
Anm. d. Red.: Die Anlagerichtlinien der Ökoworld schließen Unternehmen aus dem Palmölanbau aus. Dennoch können auch sie nicht garantieren, dass Unternehmen, in die sie investieren Palmöl verwenden. Ein Beispiel:
Wir schließen Erdölunternehmen aus, die komplette Branche: kein Shell, kein BP. Das ist ein absolutes Ausschlusskriterium. Aber natürlich investieren wir in Unternehmen, die in der Produktion (noch) auf Öl angewiesen sind. Darauf haben wir keine Einfluss. Auch schließen wir seit jeher Atomkrafterzeuger wie RWE und E.ON aus. Aber wir können nicht beeinflussen, welche Stromversorger Unternehmen mit Strom beliefern, in die wir investieren, so Gunter Schäfer, Chief Marketing Officer/Chief Communications Officer der Ökoworld Gruppe.
Sie wollen sich über den mehrfach ausgezeichneten Investmentfonds „Ökoworld Ökovision Classic“ näher informieren?
Seit 1996 steht der Ökovision Classic-Investmentfonds für Nachhaltigkeit und investiert unter anderem in humane Arbeitsbedingungen, regionale Wirtschaftskreisläufe, regenerative Energien, umweltfreundliche Dienstleistungen und Produkte sowie in Umweltsanierung. Die Ökoworld AG sagt konsequent nein zu Atomenergie, Chlorchemie, ausbeuterischer Kinderarbeit, Militärtechnologie und Raubbau.
Hier geht es zum aktuellen Chart sowie zu den letzten zehn Börsentagen.
Das vollständige Interview mit Alfred Platow finden Sie hier.
Titelbild: © AjF/fotolia