Nicht nur die Versicherungs- und Finanzbranche muss sich der Digitalisierung stellen. Sondern auch Immobilienunternehmen. So zum Beispiel das Hamburger Traditionshaus Engel & Völkers. Deshalb besuchte Flexperto-Chef Felix Anthonj für die neueste Ausgabe seiner Interview-Reihe das neue Headquarter in der Hamburger HafenCity. Und sprach dort mit Christian Evers, Chief Digital Officer des Immobilien-Makler.
Marke Eigenbau
Zwar sei das Thema Digitalisierung bis vor einigen Jahren nicht so hoch auf der Agenda gewesen, erklärt Evers. Dennoch „haben wir festgestellt, dass natürlich, wie in allen anderen Branchen auch, digital der strategische Treiber ist“, führt der Digitalvorstand aus. Deshalb hat das Hamburger Unternehmen als Herzstück eine eigene Organisation aufgebaut: Die Engel & Völkers Technology GmbH mit derzeit etwa 80 Mitarbeitern. Sie erfüllt die Funktionen Software-Neuentwicklung, Weiterentwicklung aktueller Betriebssoftware, ebenso wie Service und laufenden Betrieb.
„Die E&V Technology GmbH bildet alle Facetten der Digitalisierung im Sinne einer produkt-zentrischen, agilen Organisation. Hier entwickeln wir neue Software, aber natürlich läuft hier auch der Betrieb unserer jetzigen Software und der entsprechende Service.“ Christian Evers, CDO Engel & Völkers
Zwar würden trotzdem weiterhin für einzelne Projekte auch externe Dienstleister oder Startups mit ins Boot geholt. Trotzdem sieht Evers es als „konsequenten nächsten Schritt“, die eigenen Kompetenzen in diesem Bereich auszubauen.
Der Branchenvergleich
Christian Evers Einschätzung zufolge spüren Banken und Versicherer den Digitalisierungsdruck schon deutlich länger als Immobilienmakler. Das hat für den Engel & Völkers CDO vor allem eine Ursache: Der Wettbewerbsdruck innerhalb der Branche ist wegen der guten Konjunktur bisher viel geringer. Hinzu kommt: „Es ist in Deutschland und auch in Europa ein stark fragmentierter Markt. Das heißt: viele kleine Anbieter, die weder das Know-How, noch das Kapital haben, um ernsthaft in Digitalisierung zu investieren,“ weiß das Vorstandsmitglied.
„Unsere Agents müssen am Ende verstehen, warum sie etwas nutzen sollen. Und sie müssen lernen, wie sie Digitalisierung in ihren Alltag einbauen.“ Christian Evers, CDO Engel & Völkers
Und wie läuft die digitale Kundenkommunikation in der Immobilien-Makler-Welt? WhatsApp? Fernberatung? „Was können Eure Makler?“, will Felix Anthonj wissen. Worauf es ankomme, so Evers, seien nicht bloß funktionierende digitale Lösungen. Vielmehr sei für die erfolgreiche Digitalisierung entscheidend, solche Lösungen auch in den Alltag und das Verhalten der Zielgruppe zu integrieren. Stichwort: Change-Management. Um Change-Prozesse aktiv zu fördern, hat Engel & Völkers eine eigene Academy, in der jährlich 3000 Makler geschult werden.
Der Engel & Völkers „Stammvertrieb“
Neben den 600 Franchise-Partnern hat sich das Hamburger Unternehmen eine eigene Vertriebsorganisation, Metropolitan Market Center genannt, aufgebaut. Hier arbeiten bis zu 500 Makler in großen Metropolregionen wie Barcelona, Madrid, Paris oder Rom an einem Standort. Rein digital, also auch ohne eine Besichtigung vor Ort, arbeitet hier aber niemand. Besichtigungen sind als Teil der Wertschöpfungskette „nicht nur ein bloßes Tür Aufschließen“, betont Christian Evers. Schließlich gilt es, Kundenfragen zu beantworten, die Immobilie des Verkäufers entsprechend vertrauensvoll zu behandeln, und auch den Verkaufshebel richtig einzusetzen.
„Ich will nicht sagen, dass eine Besichtigung nicht zu digitalisieren ist. Aber für uns ist es ein großer Teil der Wertschöpfungskette, sehr individuell auf den Kunden einzugehen. Und das passiert im Kundenkontakt unter anderem bei der Besichtigung.“ Christian Evers, CDO Engel & Völkers
Hier zeigt sich auch ein entscheidender Unterschied zur Finanz- und Versicherungsbranche. Denn der Verkauf einer Immobilie ist immer verbunden mit einem sinnlichen Erlebnis. Der Abschluss einer Versicherungspolice dagegen ist deutlich besser digital abzubilden.
Mehr davon!
Wie will Engel & Völkers sich zukünftig in Sachen Digitalisierung entwickeln? Ist der Hype um digitale Ökosysteme auch ein denkbares Modell für das Immobilien-Unternehmen? Sind die Hamburger in dem Feld bereits aktiv? Diese und weitere Fragen beantwortet Christian Evers im vollständigen Interview.