Das ist also Christian, 33 Jahre, Versicherungsmakler. Christian war unlängst Gesprächsthema im sozialen Netz. Denn Christian gibt es nicht. Der dort abgebildete „Versicherungsmakler“ ist aus einer Stockfoto-Kartei. Und somit an anderer Stelle vielleicht freundlicher Verkäufer in einer Herrenabteilung im Kaufhaus. Oder Bankmitarbeiter. Oder Lehrer. Was er ziemlich sicher nicht ist: Marketer.
Fehlende Authentizität in der Werbung
Denn hier liegt das Problem der Werbeanzeigen: Die fehlende Glaubwürdigkeit. Und nicht nur in dieser einen Anzeige. Das gleiche Unternehmen wirbt auch mit Klaus, 43 Jahre, seines Zeichens Filialleiter. Der dank des InsurTechs mehr als 200 Euro monatlich mit der privaten Krankenversicherung spart. Und Klaus ist – na, ihr ahnt es schon: Model einer Stockfoto-Kartei. Der Spott lässt natürlich nicht lange auf sich warten: „Ist ja unglaublich……doof“ ist zu lesen. Oder „Was für Amateure“. Bis hin zu „Da hat das Geld wohl nur für eine Proto-Persona gereicht.“
Stockfoto: Gewusst wie und wo!
Verstehen wir uns nicht falsch: Stockfotografie ist ein häufig genutztes Mittel in der Content-Produktion. Nicht immer ist es den Aufwand wert oder gerechtfertigt, eigene Bilder zu produzieren. Doch geht es hier um Werbung. Personalisierte Werbung. Christian macht uns weis, dass man eine Menge Geld verdienen kann. Klaus hingegen, dass man sich mithilfe des Unternehmens eine Menge Geld sparen kann. Und die Glaubwürdigkeit? Ist spätestens seit Aufkommen der „falschen Stockfoto-Persönlichkeiten“ dahin.
Arzt, Handwerker und Patient in einem
Darf ich vorstellen? Das ist Georg (Name von der Redaktion frei erfunden). Er ist Maler und freut sich schon darauf, seine Arbeit für heute zu verrichten.
Oder Stopp. Das ist Georg. Gemeinsam mit seiner Kollegin begutachtet der Arzt die Röntgenbilder des Patienten.
Na bitte. Arzt ist er also. Hier in seinem hellen Chefarzt-Büro im Krankenhaus.
Moment. Auch das ist Georg. Seines Zeichens Klempner. Und ein guter wohl noch dazu. Seine Kundin scheint zufrieden. Georg selbst zeigt auch, dass er seine Arbeit gerne macht und das Problem gelöst hat.
Und auch das ist Georg. Ein überarbeiteter Businessmann, der vor lauter Arbeit am Schreibtisch während eines Telefonats eingeschlafen ist. Kein Wunder, bei den vielen Jobs, die er den ganzen Tag über zu erledigen hat.
Deshalb darf auch dieses Bild nicht fehlen. Georg leidet offensichtlich. Die Wohnwand im Hintergrund sieht verdächtig nach dem Chefarzt-Büro aus. Muss wohl ein Zufall sein. Georg jedenfalls versucht sich mit dem Tee und dick eingepackt von seinem schweren Schnupfen zu erholen. Na zum Glück kennt er einen guten Arzt.
Ein Mann mit 180.000 Persönlichkeiten
Es wird euch wenig überraschen, wenn ich jetzt sage: Georg ist Model in einer Stockfoto-Kartei. Mehr als 180.000 Bilder sind dort mit ihm zu finden. Wer dort nach einem Foto sucht, findet also beinahe gezwungenermaßen ein Foto mit und von ihm. In jeder Lebenslage. Ob mit der Freundin beim Umzug. Oder Zuhause als sorgsamer Vater, der sein Baby zum Schlafen bringen will. Und natürlich als Mitarbeiter in beinahe jeder Branche, die es gibt. Auch als Bankräuber ist er zu finden. Das richtige Stockfoto für jede Gelegenheit.
Mitten rein ins nächste Fettnäpfchen
Zugegeben: Georg ist noch ein Stück weit offensichtlicher kein Arzt, Klempner oder Businessmann. Aber genauso wie Christian und Klaus ist er als Stockfoto-Model nicht der geeignete Mann für personalisierte Werbung. Ich habe Fragen: Hat das InsurTech denn keine erfolgreichen Versicherungsmakler, die sich für eine Anzeige ablichten lassen? Die persönlich hinter ihrer Arbeit und ihrem Erfolg für die Firma stehen? Oder Kunden, die gerne ihre persönlichen Erfahrungen teilen?
Da wären wir wieder bei der Glaubwürdigkeit. Diese haben wir vor kurzem erst in unserem Beitrag über Influencer Marketing thematisiert: „Influencer besitzen als echte Personen eine soziale Autorität, die kein anderer Werbekanal erzeugen kann.“ Ihrer Empfehlung vertrauen Kunden. Wäre Christian ein echter Versicherungsmakler, der auch im Web gefunden wird und der auch selbst Werbung für die Partnerschaft mit dem Startup macht, würden die Reaktionen vermutlich anders ausfallen. Womöglich würden Makler sich mit dem Unternehmen und den Kooperations-Möglichkeiten auseinandersetzen. Stattdessen mokiert sich die Zielgruppe über die unbeholfenen Werbe-Versuche. Und ja: Es heißt „bad publicity is better than no publicity“. Aber nicht, wenn es darum geht, Glaubwürdigkeit aufzubauen.
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