Berlin Mitte, Friedrichstraße. Hier fand Ende Juni ein weiteres Highlight der deutschen InsurTech Szene statt: Die Digisurance 18. Ausgerichtet vom jungen Flexperto Team rund um Gründer und CEO Felix Anthonj lockte der Kongress in diesem Jahr rund 160 Zuschauer in das DBB Forum in der Hauptstadt.
Im Fokus der Veranstaltung: Der Versicherungsvertrieb in Zeiten des digitalen Wandels. Dabei galt für die Veranstaltung das Motto „Zahlen und Fakten statt Zukunft und Fiktion“. Und so wurden insbesondere laufende Projekte und gemeinsame Vorhaben von Startups und etablierten Versicherern vorgestellt.
„Alexa, ich brauche eine Reiseversicherung!“
Versicherungsvertrieb mittels Sprachassistenten gilt als Zukunftsthema. Nicht zuletzt auch deshalb, weil eine Studie des Schweizer Digitalhauses Adcubum jüngst prophezeite, dass intelligente künstliche Systeme den Vermittler in 15 Jahren ersetzt haben werden. Hier setzt ein gemeinsames Projekt der ERGO und Future of Voice an: Gemeinsam entwickeln sie Voice Anwendungen, die Kundenservice, Direktabsatz und Vertriebsunterstützung verbessern sollen. „Die hohe Adaptionsrate der Voice Anwendungen im Vergleich etwa zum Smartphone,“ so Future of Voice Gründer Tilmann Böhme, weise klar auf das Potenzial dieses Marktes hin.
Bei der Vorführung des Alexa Skills zum Abschluss einer Reiseversicherung haperte es dann aber doch noch ein wenig. Den Vertragsabschluss via Alexa App übersprang der Sprachassistent nämlich und beendete die Demo ungewollt.
Neue Wege der Kundenkommunikation
Eine weitere Kooperation zwischen Startup und Versicherer präsentierten David Simons, CEO von Denkpark, und Thomas Lülsdorf, Leiter Digitalisierung und Innovation bei der RheinLand. Sie präsentierten die Implentierung von Flixcheck in die Prozesse der RheinLand. Flixcheck ist eine Whitelabel Webanwendung zur unmittelbaren Abfrage und Übermittlung von Kundendaten. Die RheinLand nutzt im Rahmen eines ersten Proof of Concepts diese Anwendung beispielsweise um im Schadensfall schnell und ortsunabhängig mit ihren Kunden zu kommunizieren.
Eine Grabrede
Das solche Kooperationen nicht immer von Erfolg gekrönt sind, zeigte der „Fuckup Pitch“ der Barmenia und Kasko. Gemeinsam hatte man den „Trainer Schutz“ auf den Markt gebracht. Die Idee zu der Unfallversicherung war im Rahmen des Pokémon Go Trends entstanden und generierte bei Markteintritt viel mediale Aufmerksamkeit. Die Performance des Produkts sei allerdings „wirtschaftlich nicht so geil“ verlaufen, konstatierte Kasko CEO Nikolaus Sühr. Deshalb nimmt die Barmenia das Produkt jetzt vom Markt. Sein Vortragspartner Dr. Nils Labusch, Leiter der Digitalisierungsabteilung der Barmenia, resümierte: „Wir hätten uns im Vorfeld darüber im Klaren sein müssen, was wir mit dem Produkt erreichen wollen.“ Er identifizierte aber auch ein positives Learning. Schließlich habe die Barmenia gezeigt, dass sie innerhalb kürzester Zeit eine solche Idee umsetzen könne und offen für andere Ansätze sei.
WhatsApp für Vermittler jetzt ganz legal?
Auch Flexperto CEO Anthonj präsentierte im Rahmen der Digisurance eine Entwicklung aus dem eigenen Hause. Neuerdings bietet Flexperto seinen Anwendern die Möglichkeit, Kommunikation aus jedem Messenger in die Flexperto Communication Cloud zu integrieren. Mithilfe dieses „Omni-Channel Messagings“ können Kunden und Vermittler beliebig zwischen WhatsApp, dem Facebook Messenger, Telegram und Co. wechseln. Gleichzeitig wird die gesamte Kommunikation dokumentiert – angesichts der Vermittlerpflichten eine enorme Erleichterung.
Bezüglich datenschutzrechtlicher Bedenken erklärte Flexperto CMO Marcel Schmid, dass die Nutzung der Messenger Services grundsätzlich unproblematisch sei. Auch das Privacy Shield zertifizierte WhatsApp. Aber er fügte hinzu, dass die Wahrung des Datenschutzes insbesondere in der Hand der Anwender liege. Gerade wenn es um die Kommunikation hoch sensibler Informationen, wie etwa Gesundheitsdaten, gehe, müsse in einen sicheren Kanal gewechselt werden.
„Die sind doch bekloppt!“
Wie die Digitalisierung für den Vermittlervertrieb funktionieren kann, zeigte Pascal Peisen. Der Ausschließlichkeitsvermittler der Zurich verwehrte sich der Annahme, dass Algorithmen bald die direkte Beratung ersetzen könnten. Denn der digitale Wandel sei „kein Feind“ des persönlichen Vertriebswegs. Viel mehr könnten Vermittler von den neuen Möglichkeiten profitieren, so wie der Werbung über Social Media. Oder einfache Vertriebstools wie Flexperto oder Flixcheck, die auch er für seine Arbeit einsetze. Gleichzeitig forderte er von den Vorstandsetagen mehr Investitionen in die Digitalisierung der Ausschließlichkeit.
Kritische Töne
Im anschließenden Diskussions-Panel gab es einen offenen Schlagabtausch zwischen den jungen Wilden und den Etablierten. Ramin Niroumand, CEO und Gründer des Company Builders FinLeap, kritisierte, dass die Innovationsgeschwindigkeit in der Branche zu wünschen übrig lasse. Zusätzlich warf er die Frage auf, ob Versicherer sich nicht häufig hinter ihrer IT-Legacy und der angeblich mangelnden Kundenbereitschaft versteckten, um großflächige Investitionen zu vermeiden. Paul Stein, Vorstandsmitglied der Debeka, verneinte das. Mit 8000 Ausschließlichkeitsvermittlern sei man auch bisher gut gefahren. Er möge es nicht, „wenn ein gut funktionierendes Geschäftsmodell von heute auf morgen“ umgeschmissen werde.
Trotzdem erklärte er, dass nur Reformbereitschaft die Zukunftsfähigkeit der Versicherer gewährleisten könne. Er wies aber gleichzeitig daraufhin, dass solche großflächigen Projekte bei Versicherungen immer auch gegenüber den Beitragszahlern verantwortet werden müssten.
Auch die BaFin gibt sich die Ehre
Nach der Diskussion aus dem Markt kam auch der Marktwächter zu Wort. Dr. Frank Grund, BaFin Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht bei der BaFin, diskutierte mit Robin Kiera die Themen LV-Provisionsdeckel, Run-Offs und die Zukunft der Versicherungswirtschaft. Bei Vermittlern hatte sich Grund mit seinem Vorschlag aus dem Vorjahr zu einem LV-Provisionsdeckel ziemlich unbeliebt gemacht.
BaFin: Fehlanreize weiterhin nicht ausgeschlossen
Dazu stellte er klar, dass die BaFin „kein Wirtschaftsförderer, sondern Verbraucherschützer“ sei. Und überhaupt: „Eigentlich können die Vertriebe froh sein, dass es auch nach der IDD noch ein Provisionssystem gibt. Das war nicht selbstverständlich,“ so Grund. Noch immer sei so das Schaffen von Fehlanreizen möglich. Das verhindere auch ein GDV Verhaltenskodex nicht. Unterstützt wird seine Auffassung von einer aktuellen Umfrage des AssCompact.
Denn diese ergab, dass auch nach Inkrafttreten der IDD 63 Prozent der befragten Vermittler unlautere Provisionsmodelle, wie etwa Contingency Vereinbarungen, am Markt beobachten konnten. Ein Viertel der Befragten gab sogar an, solchen Anreizen direkt ausgesetzt gewesen zu sein. Auf die Frage, wem ein Provisionsdeckel am meisten schade, erklärte er lediglich: „Ich glaube, die Ausschließlichkeit wäre am wenigsten betroffen.“ Ob er den Makler dann am härtesten träfe, wollte er nicht beantworten.
„Die einen haben das Geld, die anderen die Ideen“
Zukünftig sieht Grund die InsurTechs mit zunehmend mehr Marktanteilen. Trotzdem erwartet er keine Revolution, sondern eine graduelle Evolution der Branche. Gleichzeitig, so Grund, werden die Symbiosen zwischen den jungen Wilden und den Etablierten wachsen. „Die einen haben das Geld und die Kunden. Die anderen haben die Idee.“
Genau das ist das Konzept hinter der Digisurance und scheinbar verinnerlichen die Teilnehmer es immer mehr. Den Eindruck hat auch Felix Anthonj, der sehr zufrieden mit dem Verlauf des Tages war. „Die Speaker sind heute alle sehr nah am Motto geblieben, was mich wirklich freut. Wir haben keine wortgewaltigen Zukunftsvisionen gehört, sondern konkrete Projekte kennengelernt,“ so der Gründer von Flexperto. „Wir stellen fest, dass digitale Player in der Branche zunehmend als Unterstützung wahrgenommen werden.“