Günter Lewald, B+D
Ich bin dann mal raus

Was der Trend zu Digital Detox für Marken bedeutet

Immer mehr Menschen nehmen sich eine digitale Auszeit. Sie wollen wieder zu sich selbst finden, indem sie sich mit einem 'kalten Internet-Entzug' von den virtuellen Geschehnissen auf Social Media ausklinken und der Angst entgegenwirken, im Netz etwas zu verpassen. Was dieser Trend für Marken bedeutet, erklärt Günter Lewald, geschäftsführender Gesellschafter von B+D Communications.
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Aus Fomo wird Jomo: Fomo, die "Fear of missing out", ist keine Erfindung US-amerikanischer Internetkonzerne, sondern ein Schlagwort, das für die immer schon gegenwärtige Angst der Menschen steht, etwas Wichtiges zu verpassen. Digitale Medien sind der Nährboden, auf dem sich diese Furcht weiterentwickelt hat. Der permanente Informationsfluss, insbesondere auf Social-Media-Kanälen, führt uns jederzeit vor Augen, was wir alles verpasst haben könnten. 


Die Gegenbewegung ist schon da: Im Sommer 2018 als Trend entstanden, ist Jomo, die "Joy of missing out", nun zu einem globalen Phänomen geworden. Immer mehr Menschen genießen regelmäßig selbst gewählte Auszeiten von der digitalen Welt. Was aber bedeutet das für Unternehmen und Marken, für ihren Marketing- und Kommunikationsmix?

Kein Grund zur Panik

Ich bin überzeugt, dass sich sowohl Fomo als auch Jomo als Verhaltensmuster etablieren werden, allerdings von Mensch zu Mensch in unterschiedlicher Intensität. Während die Angst, etwas zu verpassen, das bestimmende, gesamtgesellschaftliche Phänomen bleiben wird, werden vor allem diejenigen Personen eine digitale Auszeit kultivieren, deren beruflicher Alltag von schnelllebigen Informationen geprägt wird. Für viele von Ihnen ist Jomo schon heute Teil ihres Lebensstils. 

Also kein Grund für Marketer, in Panik zu verfallen. Denn auch wenn der digitale Detox ein wesentlicher Bestandteil von Jomo ist, handelt es sich auch im Einzelfall nicht um eine komplette Abkehr vom digitalen Konsum. Vielmehr geht es den Menschen um einen achtsamen und reflektierten Umgang mit den eigenen Wünschen und der persönlichen Zeit. 

Wer die Bedürfnisse dieser Kunden, ihre Lebensrhythmen und ihr Mediennutzungsverhalten berücksichtigt, kann mit Jomo sogar punkten. So bietet Samsung beispielsweise den Smartphone-Safe "Offline-Box" an: Der User legt sein Telefon für einen selbst bestimmten Zeitraum in die Box und hat keinen Zugriff mehr. Ähnlich funktioniert die Handyhülle Yondr, mit der bei vielen Konzerten in den USA die Mobiltelefone der Besucher weggesperrt werden. In Singapur ließ McDonald's Handy-Schließfächer aufstellen, um die Gäste vom Telefon wegzulocken. 

Achtsamkeit liegt für Marken und Unternehmen voll im Trend. Vermarkter können daher den Wunsch nach digitalen Pausen ihrer Kunden nutzen, um ihnen mit relevanten Informationen, Produkten und Services zur Seite zu stehen und damit die eigene Beziehung zu den Konsumenten zu stärken. 

Gleichzeitig sollten Marketer beachten, dass die sich stets weiterentwickelnden Algorithmen einschlägiger Plattformen vor allem Reichweite herstellen – gleich, ob es um Ads oder eher redaktionelle Inhalte geht. Hier muss Jomo als weiterer Faktor bei Analyse und Planung stärker berücksichtigt werden und zwar als Massen- und Individual-Phänomen. Wenn also die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass sich viele potenzielle Kunden gerade in einer Digital-Detox-Phase befinden, brauchen Kampagnen an diese Personengruppe nicht ausgespielt zu werden. Und das gilt natürlich auch für die individuelle Ansprache, das Targeting. Gerade den großen Plattformen sollte es auf Basis anonymisierter Daten zunehmend besser gelingen, solche Prognosen zu treffen und entsprechende Regeln abzuleiten. Die Personalisierung in der Kundenansprache bleibt zunehmend wichtig, um Streuverluste zu reduzieren und die individuelle Wirkung zu optimieren.

Trennung auf Zeit

Unternehmen müssen sich auf die digitalen Auszeiten ihre Konsumenten einstellen. Services – wie etwa automatisierte Abwesenheitsnotizen, einfach abzustellende Benachrichtigungsmails oder Speicher, in denen nur vom User vorab definierte Absender mit ihren Nachrichten landen – können dazu beitragen, dass User trotz "Digibatical" nichts wirklich Wichtiges verpassen und stressfrei in den Digital-Alltag zurückfinden. 

Gerade vor dem Hintergrund der anstehenden E-Privacy-Verordnung ist das vor allem auf individueller Ebene eine der zentralen Herausforderungen. Weiterhin gilt: Je genauer Marketer die Lebensweisen ihrer Kunden kennen, desto besser und zeitlich gezielter können sie angesprochen und involviert werden – trotz ihrer neu entdeckten Lust, sich für einen gestimmten Zeitraum aus dem digitalen Leben zu verabschieden. Denn bei fast allen bleibt es ja eine Trennung auf Zeit. 

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