Der Weltklimarat der Vereinten Nationen hat es schon vor Jahren gesagt: Es genügt nicht mehr, CO2 zu sparen. Wenn die Erderwärmung gebremst werden soll, müssen wir auch bereits emittiertes Treibhausgas wieder aus der Atmosphäre zurückholen.

Wer also fordert, die Welt müsse bis 2050 aufhören, Treibhausgase zu emittieren, sagt nur die halbe Wahrheit. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen wird sich die globale Erwärmung nur dann auf 1,5 Grad Celsius begrenzen lassen, wenn zusätzlich 810 Gigatonnen CO2 wieder aus der Luft gefischt werden. Das entspricht dem 20-Fachen des aktuellen weltweiten Jahresausstoßes.

Nötig wären also gigantische Aufforstungsprogramme, weil Bäume das CO2 aus der Luft binden. „Direct-Air-Capture“ wäre ebenfalls möglich: Luftsauger mit angeschlossenem CO2-Filter. Schließlich müssten Untertagedeponien für das Klimagas her.

„CO2 an die digitale Kette legen“

„In der Klimapolitik“, sagt Oliver Geden, Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), „spielt all dies bislang jedoch überhaupt keine Rolle, obwohl der Weltklimarat IPCC seit Jahren auf die Notwendigkeit negativer Emissionen hinweist.“

Nur: Wer soll das auch bezahlen? Bislang gibt es kein Geschäftsmodell, mit dem sich Kohlenstoffdioxid in großem Stil zu Geld machen ließe. Die FDP im Deutschen Bundestag hat diese Lücke im Klimaschutz erkannt – und ein Konzept entwickelt, das CO2-Filter und -Sauger zu einem lohnenden Investment machen könnte.

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Die Idee ist es, eine digitale Währung nach dem Vorbild des Bitcoin zu erschaffen. Unter dem Motto „CO2 an die digitale Kette legen“ schlagen die Liberalen einen „blockchainbasierten CO2-Kreislauf“ vor.

„Das klingt erst mal total technisch und komplex, ist aber eigentlich recht einfach“, sagt Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion: „Wer der Atmosphäre CO2 entzieht, wird dafür bezahlt. So wollen wir aktiven Klimaschutz belohnen sowie Erfindergeist und Innovationen fördern.“

Kern des Systems ist eine neue Währung namens „Arbil“. In dem Wort steckt „arbor“, lateinisch für Baum. Bäume zu pflanzen hat Forschern der ETH Zürich zufolge das Potenzial, zwei Drittel der bislang von Menschen gemachten, klimaschädlichen CO2-Emissionen aufzunehmen. Zum anderen ist „Arbil“ rückwärts gelesen die von Facebook für 2020 angekündigte, weltweit zugängliche und ebenfalls blockchainbasierte Währung „Libra“.

Schürfen der Kryptowährung soll kaum Energie verbrauchen

Arbil-Coins werden ausgegeben, wenn CO2 oder andere Treibhausgase aus der Atmosphäre gezogen werden. Sie werden nicht vom Staat emittiert. Unter der Schirmherrschaft und mit Unterstützung der Bundesregierung soll hierzu ein Verein gegründet werden, dessen Mitglieder dem Klimaschutz verpflichtet sind. Aufgabe des Vereins ist der Aufbau der neuen Währung sowie das Erzeugen (das „Schürfen“) und die Ausgabe von Arbil-Coins.

Durch die vom Verein limitierte Anzahl der Teilnehmer, die Arbil-Coins schürfen dürfen, soll der Schürfalgorithmus selbst kaum Energie verbrauchen. Ein energieaufwendiger „proof of work“, wie zum Beispiel bei Bitcoin, sei nicht notwendig. Schließlich entwickelt der Verein ein Wallet, also eine Art Konto, mit dem Nutzer Arbil-Coins lagern, versenden und empfangen können.

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Die neue Währung lasse sich in das europäische Emissionshandelssystem schnell einbauen, indem Arbil-Coins dort als Zahlungsmittel für Emissionszertifikate akzeptiert werden. Damit werde gleichzeitig der Grundstein für ein zukünftig autarkes, privat organisiertes internationales CO2-Kreislaufsystem gelegt.

„Wir wollen CO2 weltweit einen Preis geben. Mit unserem Blockchain-Konzept lassen sich die nationalen Emissionshandelssysteme elegant miteinander verknüpfen“, sagt Frank Sitta, stellvertretender Fraktionsvorsitzender. „Auch das geplante weltweite Kompensationssystem der Luftfahrt, Corsia, kann problemlos in dieses System eingebunden werden.“

Seinen Wert erhält ein Arbil-Coin durch die Garantie, Arbil-Coins in Emissionszertifikate eintauschen zu können. Dabei entspricht ein Arbil-Coin dem Zertifikatwert für eine Tonne CO2, derzeit also rund 27 Euro. Alle für Zertifikate eingelösten Arbil-Coins werden an den Verein kostenlos zurückgeführt. Die im Emissionshandelssystem festgelegte Obergrenze von Zertifikaten bleibt dadurch unberührt. Durch Arbil-Coins kommen keine zusätzlichen Emissionsrechte hinzu.

„Can-do-Mentalität der Digitalwirtschaft“

Da die neue Kryptowährung Arbil auf der sogenannten Blockchain-Technologie basiert und nur von einem begrenzten Kreis ausgegeben werden darf, sei sie sehr fälschungssicher, betonen die Liberalen. „Auf der Blockchain wird genau und unveränderbar registriert, wann wie viele CO2-Äquivalente gebunden werden. Zugleich werden durch die Rückverfolgbarkeit aller Transaktionen Betrugsmöglichkeiten minimiert.“

Welche Schwächen so ein System hätte, muss erst eine Diskussion mit Wissenschaftlern und Finanzexperten zeigen. Dass aber Klimaschutz ohne die Einbindung von Wirtschaftsinteressen kaum Chancen haben dürfte, wird auch von immer mehr Umweltorganisationen so gesehen.

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„Wir müssen auf Akteure setzen, die bislang unter Verdacht standen, die eigentliche Ursache der globalen Umwelt- und Klimaprobleme zu sein: die Wirtschaft“, sagt David Wortmann, Chef des Beratungsunternehmens DWR eco und Mitbegründer der Initiative „Leaders for Climate Action“: Unternehmern, Erfindern und Investoren komme „bei der Auflösung des bisherigen Widerspruchs zwischen Ökonomie und Ökologie eine neue Relevanz zu, die zu weit schnelleren Veränderungen führen kann, als es die internationale Politik bislang geschafft hat.“

Um Wirtschaftswachstum vom Umwelt- und Ressourcen-Verbrauch zu entkoppeln, sagt Wortmann, brauche man die „Can-do-Mentalität der Digitalwirtschaft“.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / Xuanyu Han