Das Team hinter Epap: Jannis Dust (19), Fabian Gruß (26), Sebastian Berger (25) und Gerd Trang (29, v.l.)

Mit dem Jahreswechsel kommen nicht nur gute Vorsätze, sondern oft auch neue Gesetze. Eines sorgt unter Einzelhändlern derzeit für heftige Diskussionen: Seit dem 1. Januar 2020 gilt in Deutschland das „Kassengesetz für mehr Steuergerechtigkeit“, auch Bonpflicht genannt.

Händler – vom Bäcker über den Friseur bis hin zum Gastwirt – müssen künftig nach jedem Bezahlvorgang einen Kassenbon an den Kunden ausgeben.

Damit soll Steuerbetrug erschwert werden, wie er nach Ansicht von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vor allem in kleinen Ladengeschäften mit regem Bargeldverkehr betrieben wird. Die zwei Bier am Kneipentresen hier, der Sack Kartoffeln auf dem Wochenmarkt, die fünf Brötchen beim Bäcker dort – wer seine Umsätze als Händler nicht sauber im Kassenterminal eintippt, kann leicht Steuern sparen. Das tut zwar nicht jeder, laut Finanzministerium entgehen dem Bund so dennoch rund zehn Milliarden Euro – jedes Jahr.

Viele Händler sind über das neue Gesetz trotz der guten Absichten allerdings verärgert. Zum einen wegen der Kosten: Um die Bonpflicht zu erfüllen, müssen Händler ihre Kassenterminals mit einer neuen AntiBetrugssoftware nachrüsten. Der Handelsverband Deutschland (HDE) schätzt, dass Händlern Kosten von etwa 300 Euro pro Kasse entstehen.

Girlanden aus ungewollten Kassenbons

Zum anderen prangern Händler die massive Umweltbelastung an. Kassenbons werden auf chemisch belastetem Thermopapier gedruckt, und das in riesigen Mengen. „Wir rechnen mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr“, teilte der HDE im Dezember mit. Wie absurd die Folgen des neuen Gesetzes im Alltag sein können, zeigte kürzlich eine Wirtin aus Karlsruhe, die ihre Kneipe mit Girlanden aus tausenden Bons schmückte, die Kunden nicht mitnehmen wollten. „Ich musste diesen Wahnsinn mal bildlich darstellen“, kommentierte sie ihre ungewöhnliche Protestaktion.

Nun bringen neue Gesetze nicht nur Verlierer hervor. Zu den Gewinnern der Bonpflicht hofft Fabian Gruß zu gehören. Der 26-Jährige Informatiker aus Hannover hat mit drei Freunden das Startup Epap gegründet. Gemeinsamen wollen sie den Kassenbon mit einer Smartphone-App digitalisieren.

Einmal heruntergeladen, können Nutzer alle gesammelten Bons auf dem Smartphone speichern. Beim Kassiervorgang im Laden wird dazu einfach ein QR-Code gescannt, ein Papierbeleg entfällt. Händler benötigen dafür lediglich eine elektronische Kasse, auf der die Epap-Software installiert ist. Nach dem Bezahlen der Ware wird der Bon dann nicht wie üblich an den Drucker übermittelt, sondern an die Server von Epap, wo die einzelnen Ausgabeposten sortiert, visuell aufbereitet und an den Nutzer weitergeschickt werden. Bei regelmäßigem Gebrauch entsteht so eine Art digitales Haushaltsbuch. 

Den Wettbewerbern „zeitlich deutlich voraus“

Für Gruß kommt die umstrittene Bonpflicht deshalb genau richtig. Sie habe „das Bewusstsein in der Bevölkerung erhöht, dass handelsübliche Kassenbons der Gesundheit und Umwelt schaden“, sagt er im Gespräch mit Gründerszene. „Durch die vielen Medienberichte spüren wir jetzt kräftigen Rückenwind.“ Seit dem Jahreswechsel seien die Downloadzahlen der Epap-App rasant gestiegen. „Waren es vorher circa 20 neue Nutzer am Tag, sind es aktuell schon 150 bis 200“, berichtet Gruß. Zudem erhalte das Team mehr Anfragen von Kassenherstellern und Händlern, die die Software der Hannoveraner nutzen möchten.

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Den Markt muss sich das Startup allerdings mit mehreren Wettbewerbern teilen. So werben etwa auch Anybill aus Regensburg, Wunderbon aus Düsseldorf, Greenbill aus Kuchen und Bill Less aus Böblingen mit einer digitale Alternative zum Kassenbon. Anybill versichert zudem, ebenfalls konform zur neuen Belegausgabepflicht zu sein. 

Epap-Gründer Fabian Gruß sieht seine Firma trotzdem im Vorteil: „Die meisten der genannten Anbieter befinden sich noch in einer frühen Testphase, hier sind wir also zeitlich deutlich voraus und haben ein Produkt, das direkt integriert und genutzt werden kann“, erklärt er. Im Vergleich zu Anybill, das als einziger direkter Wettbewerber schon eine Smartphone-Anwendung in den beiden großen App-Stores habe, könne Epap außerdem mit mehr Funktionen punkten. „Die Übersicht über die Ausgaben in der Anybill-App ist sehr rudimentär und zeigt beispielsweise keine Verläufe über die Zeit oder Gesamtausgaben an. Die App bietet zudem keine Einkategorisierung der Einkäufe auf Warenebene, etwas das wir in unserer App integriert haben.“

Geldverdienen mit digitalen Kassenzetteln problematisch

Womöglich ist die Funktionsvielfalt aber auch nicht entscheidend. In der Vergangenheit erwies sich vor allem das Geldverdienen mit digitalen Kassenzetteln als problematisch. 2014 rutschte etwa das Karlsruher Startup Reposito in die Insolvenz, nachdem es in drei Jahren nicht gelungen war, ein tragfähiges Geschäftsmodell um die App zu bauen – trotz zum Schluss 250.000 Nutzern.

Darauf angesprochen gibt sich Fabian Gruß gelassen: Anders als Reposito verdiene Epap nicht beim Bezahlvorgang an der Kasse, sondern bekomme von den Kassenherstellern eine monatliche Gebühr von fünf Euro pro Gerät. „So haben wir eine stetige Einnahmequelle und sind nicht zwingend davon abhängig, wie viele Leute die App am Ende wirklich nutzen“, erklärt der Gründer. Weitere Erlöse will das Startup über Premium-Features einstreichen, etwa indem Nutzer ihr Haushaltsbuch mit Angehörigen teilen oder dem Steuerberater schicken können.

Dass sich mit einer Kassenzettel-App irgendwann Geld verdienen lässt, daran hat Gruß jedenfalls wenig Zweifel. Er schätzt, dass derzeit allein in Deutschland knapp über eine Million Kassenterminals in Betrieb sind. „Wenn davon nur 15.000 bis 20.000 Geräte mit unserer Software ausgerüstet sind, könnten wir bereits profitabel wirtschaften“, rechnet er vor. Die ersten 1.000 Kassen habe ein Hersteller kürzlich schon mit der Epap-Software ausgerüstet. „Bis Ende des Jahres planen wir auf rund 10.000 Kassen zu wachsen“, kündigt Gruß an. Vorher sucht der Gründer allerdings noch nach Kapital, denn bisher finanziert sich Epap lediglich aus Stipendien der Länder NRW und Niedersachsen. Erste Gespräche mit interessierten Investoren sollen bereits laufen. Ganz analog.

Bild: Epap / Paula Keen