Die ältere Dame schiebt ihre Sonnenbrille ins Haar und studiert sorgfältig die Instruktionen an der Zapfsäule. „So einfach geht’s“, steht da schwarz auf gelbem Grund. „1. Karte einschieben“, „2. Gewünschten Tankbetrag eingeben“. Code eingeben, Karte raus, tanken, fertig. Ein paar Minuten später geht es weiter zum eigentlichen Ziel: „Eigentlich wollte ich nur schnell zu Aldi“, sagt sie, setzt sich in ihren silberfarbenen Audi und steuert den Wagen ein paar Meter weiter auf den Kundenparkplatz des Discounters.
Erst tanken, dann einkaufen – das soll künftig an zahlreichen Aldi-Standorten in Deutschland möglich werden.
Nach Informationen aus Branchenkreisen ist im August ein Pilotprojekt für den Betrieb von zehn Automatentankstellen gestartet, das im Erfolgsfall schnell ausgeweitet werden dürfte. Dabei betreibt Aldi die Zapfsäulen nicht in Eigenregie. Das Unternehmen verpachtet vielmehr Parkplatzflächen an FE-Trading, ein Tochterunternehmen des österreichischen Mineralölkonzerns OMV. FE-Trading wiederum errichtet und betreibt darauf Tankstellen der Marke Avanti.
In Österreich läuft die Kooperation zwischen FE-Trading und dem dortigen Aldi-Ableger Hofer bereits seit 2009. Vor knapp einem Jahr wurde bekannt, dass das alpenländische Tankmodell auch in Deutschland erprobt werden soll.
Nun ist das Spritexperiment gestartet. Ganz Aldi-like ohne jedes Zeremoniell wurden im baden-württembergischen Ludwigsburg und im nahe gelegenen Stuttgart-Obertürkheim im August die ersten Aldi-Tankstellen in Betrieb genommen.
Schon aus der Ferne ist in Obertürkheim der knallgelbe Aufsteller zu erkennen, der für „Clever tanken. Avanti“ wirbt. Dahinter leuchtet das Aldi-Süd-Logo.
Als der österreichische Aldi-Ableger Hofer im Jahr 2009 in Salzburg startete und mit einem Dieselpreis von 50 Cent lockte, bildeten sich rekordverdächtig lange Schlangen vor den Zapfsäulen. Die gibt es in Obertürkheim zwar nicht. Doch die Kunde vom Billigsprit scheint sich auch hier bereits verbreitet zu haben.
Neben Kampfpreisen setzen Aldi wie Avanti auf die Bequemlichkeit der Kunden, die an einem Ort die Leistungen verschiedener Anbieter nutzen sollen.
„Für Tankstellenpächter kann das dramatische Folgen haben“
Die Idee ist nicht neu. Bereits in den frühen Neunzigerjahren hatte beispielsweise die Supermarktkette Allkauf versucht, mit eigenen Tankstellen in der Nähe ihrer Filialen zu punkten, konnte als branchenfremder Anbieter aber kaum mit den Preisen der großen Wettbewerber mithalten. Aldi hält sich aus dem operativen Betrieb dagegen komplett heraus und stellt lediglich die Flächen zur Verfügung.
Der Discounter will „an voraussichtlich zehn Standorten im Großraum München, Nürnberg und Stuttgart Teile der Grundstücksfläche an die Avanti Deutschland verpachten“, teilt das Unternehmen dazu offiziell mit.
Bewähren sich die Standorte, dürfte FE-Trading die Oktanzahl bei der Deutschland-Expansion rasch hochfahren. Langfristig seien 200 Automatenstationen geplant, berichtete die „Wiener Zeitung“.
Mit dieser Anzahl würde das Aldi-Netz immerhin unter die 15 größten Tankstellen-Betriebe hierzulande aufsteigen. Nach Angaben des Energie Informationsdienstes in Hamburg, der regelmäßig die Zahl der Betriebe ermittelt, betreiben die beiden Mineralölriesen Aral mit rund 2300 und Shell mit knapp 2000 die größte Zahl von Tankstellen der insgesamt 14500 Tankstellen in Deutschland. Aldi-Partner OMV betreibt 270 Zapfstellen.
In der Branche lösen die Pläne Sorgen aus: „Für Tankstellenpächter, deren Betrieb im Einzugsgebiet der Aldi-Tankautomaten liegt, kann das dramatische Folgen haben“, sagt Thomas Drott, Geschäftsführer des Bundesverbandes Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche. „Es droht der Verlust von Arbeitsplätzen vor allem bei kleineren Tankstellen.“
Unabhängig von der Kooperation mit FE-Trading, schreitet derweil der Ausbau von Ladestationen für Elektroautos bei Aldi Süd voran. Bislang gibt es 53 kostenlos nutzbare Ladestationen vor den bundesweit 1890 Filialen. Bis Ende 2018 will das Unternehmen „mehr als 80 Ladesäulen für Elektroautos anbieten“. Der Strom dafür wird von Solaranlagen auf den Dächern der jeweiligen Filialen produziert.
Auch in Stuttgart-Obertürkheim lädt eigens eine blau markierte Parkfläche E-Auto-Fahrer zum „Sonne tanken“. Allein, die Ladestation wird nur selten genutzt, anders als die vier Zapfsäulen ein paar Meter entfernt. Alle paar Minuten stoppt dort ein Wagen vor den Avanti-Automaten. Das Geschäft mit dem Billigbenzin läuft.