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Webwelt & Technik Huawei Mate 30 Pro

So wenig kann das „grandiose“ Ohne-Google-Smartphone

Wirtschaftsredakteur
Richard Yu, Chef des Verbrauchergeschäfts von Huawei, bei der Präsentation des Huawei Mate 30 Richard Yu, Chef des Verbrauchergeschäfts von Huawei, bei der Präsentation des Huawei Mate 30
Richard Yu, Chef des Verbrauchergeschäfts von Huawei, bei der Präsentation des Huawei Mate 30
Quelle: dpa
Huawei verkauft sein Mate 30 jetzt in Deutschland. Der chinesische Hersteller will testen, ob ein Gerät ohne US-Bauteile und Dienste wie YouTube und Gmail verkäuflich ist. WELT hat das Smartphone getestet.

Noch vor dem Jahresende will Huawei sein neustes Flaggschiff-Smartphone Mate 30 Pro nach Deutschland bringen. Das Gerät, das bereits im September präsentiert wurde, könnte für den chinesischen Hersteller zum Schicksals-Smartphone werden. Denn es wird sein erstes Modell sein, das hierzulande komplett ohne Google-Dienste verkauft wird. WELT konnte das Gerät bereits testen. Ab 12. Dezember soll es für 1099 Euro exklusiv im Online-Shop von Mediamarkt verkauft werden.

Das japanische Technologielabor Fomalhaut Techno Solutions hat das Mate 30 Pro auseinandergenommen und nach einer gemeinsamen Analyse mit der Schweizer Großbank UBS eine Überraschung erlebt: Das Smartphone kommt vollständig ohne US-Komponenten aus. Ähnliche Ergebnisse ergaben die Untersuchungen von iFixit und Tech Insights. Offenbar ist es Huawei in kürzester Zeit gelungen, seine Zulieferkette neu zu organisieren und amerikanische Bauteile zu ersetzen.

Hintergrund ist der Huawei-Boykott der US-Regierung, die den Konzern mit zahlreichen Tochterfirmen bereits im Mai auf eine schwarze Liste gesetzt hat. US-Unternehmen ist es damit untersagt, mit Huawei Geschäfte zu machen. Die US-Regierung sieht Huawei-Technik als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit an. Die Technik könne von der chinesischen Regierung zu Spionage- und Sabotage-Zwecken genutzt werden. Das bezieht sich sowohl auf die Netztechnik, Huawei ist der weltweit größte Ausrüster von Mobilfunknetzen, als auch auf Smartphones.

Huawei hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und wehrt sich inzwischen in den USA auch vor Gericht gegen das Vorgehen der US-Regierung. Trotzdem hat der Konzern früh mit der Suche nach Alternativen für amerikanische Zulieferer begonnen, obwohl die US-Regierungen einige Ausnahmen mit zeitlicher Begrenzung für US-Zulieferer zugelassen hat. Die Suche nach Ersatz scheint erfolgreich gewesen zu sein.

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Broadcom musste sogar die Jahresprognose kürzen

Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, konnte der Hersteller für alle US-Komponenten Alternativen finden. So verließ er sich lange Zeit auf Lieferanten wie Qorvo aus dem US-Bundesstaat North Carolina, einem Hersteller von Chips, die zur Verbindung von Smartphones mit Mobilfunkmasten verwendet werden, und Skyworks Solutions aus Massachusetts, einem Unternehmen, das ähnliche Chips herstellt. Es wurden in der Vergangenheit auch Teile von Broadcom aus San Jose verwendet, das Unternehmen stellt Bluetooth- und Wi-Fi-Chips her. Cirrus Logic aus Texas lieferte Chips für die Tonproduktion.

Einen Teil der Komponenten liefern nun die Huawei-Tochter HiSilicon und der Taiwanesische Hersteller MediaTek. Audioverstärker kommen von NXP aus den Niederlanden, Antennenschalter von Murata aus Japan. Der US-Bann trifft die amerikanischen Zulieferer inzwischen empfindlich. Broadcom musste zuletzt sogar seine Jahresprognose kürzen. Huawei hat im vergangenen Jahr in den USA nach eigenen Angaben für elf Milliarden Dollar Komponenten eingekauft.

Auch wenn es dem Unternehmen gelungen ist, das Mate 30 Pro ohne US-Teile zu bauen, so gibt es doch eine große Schwachstelle: Von der schwarzen Liste ist auch Google betroffen. Der Technologiekonzern hat bis heute keine Ausnahmegenehmigung für Geschäfte mit Huawei bekommen. Somit kann Huawei zwar das lizenzfreie Android-Betriebssystem nutzen, aber das Mate 30 Pro kommt ohne die „Google Mobile Services“ nach Deutschland. Das bedeutet, dass Nutzer auf dem Smartphone weder den Play Store, noch YouTube, Gmail, Google Maps oder den Chrome-Browser finden.

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Auch bei unserem Testgerät fehlten all diese Dienste. Sie können auch nicht nachinstalliert werden, ohne dass man tief in das System eingreift und damit die Sicherheit gefährdet. Als Ersatz für den Google Play Store mit seinen Millionen von Apps hat Huawei seine AppGallery auf dem Gerät installiert. Doch die für deutsche Nutzer wichtigsten Apps sind dort nicht zu finden. Das gilt für Facebook und WhatsApp ebenso wie für fast alle Anwendungen, mit denen beispielsweise Carsharing-Dienste genutzt werden könnten. Zwar stehen einige Anwendungen wie Amazon Shopping, Booking.com und Web.de zum Download bereit. Doch Nutzer suchen häufiger vergeblich nach ihren Anwendungen, als dass sie Treffer hätten.

Die Hardware des Mate 30 Pro zeigte sich im Test in Bestform. Die Dreifachkamera auf der Rückseite mit ihrem Ultraweitwinkel, Weitwinkel und Tele macht sehr gute Aufnahmen. Zwei der Kameras haben einen 40-Megapixel-Sensor. Videos sind in der hohen 4K-Auflösung mit 60 Bildern pro Sekunde möglich. Bisher war die Videoaufnahme eher eine Schwachstelle bei Huawei-Smartphones. Der Hersteller hatte bislang seinen Fokus auf das Fotografieren gelegt. Es gibt nun im Mate 30 Pro eine Super-Zeitlupenfunktion, bei der 7680 Bilder pro Sekunde aufgenommen werden. Selbst die Selfie-Kamera macht noch Aufnahmen mit 32 Megapixel.

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Huawei hat den Fingerabdrucksensor im Display untergebracht. Der Bildschirm löst extrem scharf auf und ist an den Seiten gekrümmt. Deswegen gibt es dort auch keine Tasten. Sie werden bei Berührung vielmehr virtuell auf dem Screen dargestellt. Ein Doppeltipp mit dem Daumen am Rand ruft den Lautstärkeregler auf, der links, aber auch rechts eingeblendet werden kann. Das funktioniert sehr zuverlässig. Ein Gestensensor ermöglicht das Scrollen durch Webseiten mit Handbewegungen in der Luft. Diese Funktion fällt wohl eher in die Kategorie „Weil wir es können“. Wirklich sinnvoll ist die Nutzung derzeit nicht.

Zum Themendienst-Bericht von Andrej Sokolow vom 10. Dezember 2019: 4400 Milliampere fasst der Akku des Huawei Mate 30 Pro. Foto: Robert Günther/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++
Die Hardware des Mate 30 Pro zeigte sich im Test in Bestform. Die Dreifachkamera auf der Rückseite mit ihrem Ultraweitwinkel, Weitwinkel und Tele macht sehr gute Aufnahmen
Quelle: dpa-tmn

Im Gerät arbeitet jede Menge künstliche Intelligenz, und das nicht nur bei der Aufnahme von Fotos und Videos. Die Kamera über dem Display erkennt die Augenstellung des Nutzers. Legt er sich mit dem Smartphone auf die Seite, dreht der Bildschirminhalt nicht mehr automatisch, was bei anderen Smartphones störend ist. Im Test hielt der Akku fast zwei Tage bei intensiver Nutzung durch. Das Gerät ist sogar in der Lage, ein iPhone drahtlos aufzuladen – und zwar dreimal schneller als bisherige Smartphones, die das „Wireless Reverse Charging“ beherrschen.

Doch trotz der Top-Performance des Mate 30 Pro lässt es den Nutzer in vielen Situationen schlichtweg ratlos zurück. Kontaktloses Bezahlen ist mit dem Gerät nicht möglich, weil es keine SafetyNet-Zertifizierung bekommt und damit Google Pay nicht nutzen kann. Schnell ein YouTube-Video ansehen? Geht nicht. Oder nur umständlich über den Huawei-Internet-Browser. Mit Google Maps durch die Stadt navigieren? Geht auch nicht. Schon das Anschalten des E-Bikes scheiterte im Test, weil die App nicht in Huaweis AppGallery verfügbar war. Spotify? Fehlanzeige. Die ZDF-Mediathek ist vertreten, Netflix aber nicht.

Die AppGallery wird Huawei-Nutzern in China schon länger angeboten, wo Huawei mit Abstand Smartphone-Marktführer ist. Dort sind Google-Dienste und Anwendungen wie Facebook und WhatsApp aber sowieso nicht zugelassen. Die chinesischen Alternativen heißen dort unter anderem WeChat, eine Anwendung, mit der Nutzer ihren kompletten Alltag organisieren, vom Chatten bis hin zum kontaktlosen Bezahlen. Brauchbar ist die Anwendung in Deutschland kaum, weil Bekannte und Freunde eher bei WhatsApp sind. Auch dürften Nutzer davor zurückschrecken, ihre persönlichen Daten einer chinesischen App anzuvertrauen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz warnen bereits vor der Verwendung der chinesischen Video-App TikTok.

Huawei verweist darauf, dass nach und nach weitere Apps in die Gallery kommen, die auch für Nutzer in Europa und Deutschland interessant sind. Tatsächlich hat der Hersteller angekündigt, eine Milliarde Dollar zu investieren, um Entwickler zu unterstützen. Vor allem auch für die Verbreitung seiner Huawei Mobile Services, einer Alternative zu den Google Mobile Services. Entwickler können sie dann in ihre eigenen Anwendungen einbinden, beispielsweise Straßenkarten.

Ob sich mögliche Käufer damit beruhigen lassen, ist fraglich. Für Huawei ist das Mate 30 Pro daher auch ein Testballon, um zu sehen, ob ein Leben ohne Google und US-Komponenten überhaupt möglich ist. Wer das Gerät in Deutschland kauft und nach einem Monat sein Feedback gibt, bekommt von Huawei noch die Smartwatch GT 2 kostenlos geliefert.

Deutschland ist nach China strategisch für Huawei der wichtigste Markt. Eine Wahl hat Huawei im Grunde sowieso nicht. Zwar hat der Konzern immer wieder betont, lieber auf Komponenten aus den USA und auf die Google-Dienste setzen zu wollen. Doch zurückdrehen lässt sich die Zeit wohl kaum. Auch wenn die US-Regierung am Ende doch noch nachgibt, dürfte Huawei alles daransetzen, nicht noch einmal in eine solche Situation zu kommen.

„China nicht das deutsche 5G anvertrauen“

Die CDU will Huawei nicht generell vom Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunks in Deutschland ausschließen. Das haben die Delegierten in Leipzig beschlossen. Zuvor hatte Außenpolitiker Norbert Röttgen für einen Ausschluss des chinesischen Unternehmens plädiert.

Quelle: WELT

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