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Wirtschaft Neuer Währungsabsturz

Jetzt wird die Krise der Türkei zum Problem für Europa

Leitender Wirtschaftsredakteur
Die türkische Lira stürzt auf historisches Rekordtief

Die türkische Währung ist auf ein historisches Rekordtief gefallen. Der Grund: Sorgen über Erdogans Wirtschaftspolitik sowie der Streit mit den USA um einen inhaftierten Pastor.

Quelle: WELT/ Laura Fritsch

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Der Kursverfall der türkischen Währung hat sich beschleunigt. Die Lira fiel auf ein neues Rekordtief.
  • Im Handel mit dem US-Dollar kam es zeitweise zu einem Einbruch um 13,5 Prozent.
  • Der Währungsverfall bringt immer mehr türkische Unternehmen und Banken in die Bredouille.

Politisch gesehen, spielt die Türkei wegen ihrer geostrategischen Lage seit jeher eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt die Flüchtlingskrise hat das deutlich gemacht. Wirtschaftlich allerdings wurde das Land bisher nicht so recht ernst genommen. Auch die Lira-Krise taten viele deshalb lange als lokales Ereignis ab. Eine Fehleinschätzung, wie sich jetzt zeigt. Nicht nur, dass Europa auf die Kooperation der Türken in der Flüchtlingskrise angewiesen ist. Nun greift auch noch die türkische Finanzkrise mit voller Wucht auf Europa über. Der dramatische Ausverkauf der türkischen Lira nährt die Furcht vor Zahlungsausfällen bei türkischen Banken, die auch riesige Löcher in die Bilanzen der hiesigen Institute reißen könnten. Die Türkeikrise kommt auch bei uns an.

Die Lira taumelt seit Wochen von einem Tief zum nächsten. Am Freitag verlor sie in der Spitze mehr als 20 Prozent zum Dollar. Der Kurs fiel zeitweise auf ein Rekordtief bei 6,87 Lira. Seit Jahresanfang hat die türkische Währung damit mehr als 40 Prozent abgewertet. Das bringt immer mehr türkische Unternehmen und Banken in die Bredouille. Viele haben sich in Dollar verschuldet und können nun ihre Verpflichtungen nicht mehr leisten. Verpflichtungen, die sie auch gegenüber Geldgebern in Europa haben.

Quelle: Infografik WELT

„Bisher galt die Türkeikrise als ein lokales Ereignis mit begrenzten Auswirkungen für den Rest der Welt. Das hat sich nun radikal geändert”, schreiben die Experten der Citi. Am Freitag geriet folglich auch der Euro in den Türkeistrudel. Die Gemeinschaftswährung verlor in der Spitze fast ein Prozent an Wert und rutschte erstmals seit Juli unter die Marke von 1,15 Dollar.

Die EZB ist alarmiert

Es geht um durchaus stattliche Beträge, die Banken des Westens türkischen Unternehmen, Finanzinstituten oder Ankara Geld geborgt haben, die auch die Stabilität des europäischen Finanzsektors tangieren könnten. Einem Bericht der „Financial Times“ zufolge sind die Bankenaufseher der EZB hochgradig alarmiert und schauen sich bereits die Verbindungen europäischer Geldhäuser zu dem Land an. Insgesamt 223 Milliarden Dollar, umgerechnet knapp 194 Milliarden Euro, haben Banken weltweit der Türkei geliehen. Das geht aus Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hervor, die die weltweiten Finanz- und Kreditströme messen.

„Die Türkei steckt in großen Schwierigkeiten. Nach einem kreditgetriebenen Boom weisen der Anstieg der Inflation und der dramatische Währungsverfall in 2018 darauf hin, dass das Land nun Gefahr läuft, auf eine Pleite zuzusteuern“, sagt Carsten Hesse, Ökonom der Berenberg Bank. „Neben den auf der Hand liegenden Risiken für die Türkei selbst, wirft das die Frage auf, wie stark die Eurozone davon beeinträchtigt würde.“

Quelle: Infografik WELT

Vor allem spanische Geldhäuser müssen darauf hoffen, dass sich die Situation in der Türkei stabilisiert. Sie haben rund 80 Milliarden Dollar, umgerechnet 71 Milliarden Euro, im Feuer. Französische Institute sind mit 35 Milliarden Dollar (30 Milliarden Euro) mit von der Partie, italienische Banken haben Türkeikredite von über 18,1 Milliarden Dollar in ihren Büchern, bei deutschen Banken stehen knapp 13 Milliarden Dollar auf dem Spiel.

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„Das Risiko steigt, dass türkische Banken ihre Devisenverpflichtungen in Dollar oder Euro nicht mehr begleichen können“, sagt Peter Garnry, Stratege der Saxo Bank. Zuletzt waren die Renditen der Dollaranleihen einzelner türkischer Institute auf über 25 Prozent in die Höhe geschnellt. Solche horrende Renditen deuten auf ein erhebliches Ausfallrisiko hin.

Spanische und italienische Banken betroffen

Besonders die Banken BBVA aus Spanien, die italienische UniCredit und die französische BNP Paribas stehen im Fokus. Sie haben nicht nur türkischen Akteuren Geld geliehen, sondern sich auch in den türkischen Bankenmarkt eingekauft, als dieser noch als lukrativ galt. BBVA hält knapp 50 Prozent an der Garanti Bank, dem drittgrößten Finanzhaus am Bosporus. Dieser Anteil steuerte nicht weniger als ein Fünftel zum BBVA-Gewinn im vergangenen Jahr bei. Nun könnte nicht nur der Gewinn wegfallen, sondern zusätzlich noch Abschreibungen anfallen. Die BBVA-Aktie stürzte um mehr als sechs Prozent ab. Seit Jahresanfang summieren sich die Verluste auf 22 Prozent. Unter Druck gerieten auch die Aktien der UniCredit und von BNP Parbias. UniCredit ist mit 41 Prozent an Yapi Kredi beteiligt, der viertgrößten türkischen Bank. BNP Paribas wiederum hält rund 45 Prozent an Türk Ekonomi Bankasi.

Quelle: Infografik WELT

Wie akut diese Gefahr ist, zeigt eine Analyse der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs. Die Experten haben berechnet, dass jede Abwertung der Lira um zehn Prozent die Kapitalpuffer der türkischen Banken um einen halben Prozentpunkt schmälert. Sollte die türkische Währung bis auf 7,10 Lira pro Dollar fallen, wären die überschüssigen Reserven dahin. Wie schnell das gehen kann, zeigt die aktuelle Entwicklung. Zwischenzeitlich mussten am Freitag 6,30 Lira pro Dollar bezahlt werden. Zum Jahresbeginn kostete der Dollar erst 3,75 Lira.

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Präsident Recep Tayyip Erdogan versucht indes, die Furcht vor einem weiteren Verfall der Landeswährung zu zerstreuen. „Macht euch keine Sorgen“, sagte er jetzt. „Vergesst nicht, wenn sie ihre Dollars haben, dann haben wir unser Volk, unseren Gott.“

US-Präsident Donald Trump ordnete am Freitagvormittag (Ortszeit) eine Verdopplung der Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei an. Die Zölle auf Aluminium würden nun auf 20 Prozent und die für Stahl auf 50 Prozent angehoben. Trump verwies ausdrücklich darauf, dass die Lira „schnell gegenüber unserem sehr starken Dollar abrutscht!“ Er fügte hinzu: „Unsere Beziehungen zur Türkei sind derzeit nicht gut!“

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