Versicherungen:Betrügerischer Betrugsspezialist

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371 Fälle der besonders schweren Untreue: Ein Bereichsleiter bei der Allianz zweigte über Jahre mehr als zwei Millionen Euro auf sein Konto ab - jetzt kommt er bald ins Gefängnis.

Von Nina Nöthling, Köln

Eric B. war viele Jahre Betrugsspezialist bei der Allianz. Doch während er für den Versicherer fingierte Schadenfälle aufdeckte, zweigte er selbst Millionensummen ab. Mithilfe von erfundenen Anwälten leitete er allein in den vergangenen fünf Jahren mehr als zwei Millionen Euro auf private Konten um. Dafür wurde er am Mittwoch vom Landgericht Köln zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt.

B. leitete zuletzt den Bereich Betrug Nordwest bei dem Münchner Versicherer. In dieser Position hatte er die Erlaubnis, Zahlungen bis 100 000 Euro zu genehmigen. Er galt als ausgesprochener Experte auf seinem Gebiet, trat sogar als Redner bei Veranstaltungen auf und half bei der Entwicklung von Betrugssoftware. Auch deshalb blieben seine Machenschaften wohl jahrelang unentdeckt. Der Prozess befasste sich nur mit den Taten der vergangenen fünf Jahre. Tatsächlich begann Eric B. mit den Zahlungen auf Kosten seines Arbeitgebers bereits 2003, nachdem seine Familie in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Taten, die er vor dem 7.

März 2013 begangen hat, sind jedoch verjährt. Ein Kontrollsystem der Allianz wählt per Zufall Zahlungen aus, die von einer zweiten Person abgezeichnet werden müssen. Im Fall von B. überprüften die Mitarbeiter Rechnungen und andere Dokumente allerdings nicht, bevor sie diese freigaben. Seine Kompetenz sei unbestritten gewesen, weshalb es nie einen Grund gab, seine Arbeitsweise anzuzweifeln, sagte eine ehemalige Mitarbeiterin während des Prozesses aus. "Ich hatte nie einen Verdacht." Dieses Vertrauen und seine Zahlungsbefugnis habe er zum eigenen Nutzen missbraucht, erklärten die Richter bei der Urteilsverkündung. Sie sprachen ihn in 371 Fällen der besonders schweren Untreue schuldig.

Zugute kam B. bei der Strafbemessung, dass er frühzeitig ein Geständnis abgelegt und während der Ermittlungen von sich aus Informationen preisgegeben hatte, etwa zu einem Konto in Spanien. Bis zum Haftantritt ist Eric B. auf freiem Fuß - die Richter sehen keine Fluchtgefahr, zumal von dem Geld ohnehin nichts mehr übrig ist. Aufgrund seiner Kooperation, seines guten Benehmens in der Untersuchungshaft und weil er zum ersten Mal verurteilt wurde, hat B. außerdem gute Aussichten, dass ein Teil der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. In jedem Fall muss er den Schaden der Allianz zurückzahlen. Wie viel von dem Geld der Versicherer tatsächlich wiederbekommt, ist allerdings ungewiss. Die gesamte Summe wird B. im Laufe seines Lebens wohl nicht zurückzahlen können.

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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