Arm und Reich: Vermögensverteilung noch ungleicher als angenommen – warum?

Das Vermögen in Deutschland ist ungleich verteilt – mehr noch, als bisher angenommen, sagt eine neue Studie. Die Gründe dafür sind vielschichtig und komplex, aktuell und historisch.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat in Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam eine Statistik zur Vermögensverteilung in Deutschland, Frankreich und Spanien erarbeitet, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Daraus geht zunächst nur hervor, was wir ohnehin schon wissen: Das Vermögen ist sehr ungleich verteilt. Jedoch: Noch viel ungleicher, als bisher angenommen. Der Grund: Zahlen, die zum Beispiel das statistische Bundesamt oder die Europäische Zentralbank ermittelt hat, stützen sich auf freiwillige Umfragen – und die Bereitschaft zur Aussage sinkt, je größer das Vermögen ist. Außerdem sind sehr reiche Menschen aufgrund ihrer geringen Zahl in Stichproben chronisch unterrepräsentiert. Daher hat das DIW zum Beispiel auch Reichenlisten wie die von Forbes oder des Manager Magazins mit berücksichtigt, die teilweise bereits seit den 80er Jahren geführt werden. Das Ergebnis: In Deutschland besitzen 45 Menschen, beziehungsweise Haushalte soviel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung.

Die Gründe dafür sind so vielschichtig und komplex, wie sie umstritten sind. Jedoch gibt es historische und aktuelle Indizien, die erklären können, warum auch die deutsche Gesellschaft eine Ungleiche ist und weshalb das wohl auf absehbare Zeit so bleiben wird:

Steuerpolitik: Erbschaftssteuer, etc.

Jedes Jahr werden in Deutschland laut einer Schätzung des DIW aus 2017 400 Mrd. Euro vererbt oder verschenkt. Dieses Volumen macht heute etwa die Hälfte des Gesamtvermögens aus. Nun könnte man sagen, na und, ist doch fein, wer hart für sein Geld gearbeitet hat, will nun mal, dass es seinen Kindern einmal besser geht. Aber so ist es nicht. Von der enormen Summe profitieren nur Wenige: etwa jeder Dritte erbt überhaupt eine signifikante Summe – Menschen, die zumeist ohnehin gut situiert sind und über gute Bildung oder über ausreichend Aufstiegschancen verfügen. Demgegenüber stehen 40 Prozent der Menschen in Deutschland, die kein Nettovermögen besitzen und damit keine Möglichkeit haben zu sparen – denn ihr Verdienst geht für den Lebensunterhalt drauf. Das sind zumeist auch diejenigen, die nichts erben werden – ein Kausalzusammenhang, der sich über die Generationen fortsetzt. Das bedeutet: Die so oft beschworene Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf. Denn verkürzt ausgedrückt passiert folgendes: Reich erbt reich und Arm bleibt arm.

Dass das so ist, hat auch mit der Politik des ehemaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble zu tun. Seine Steuerpolitik scherte sich wenig um Steuergerechtigkeit, als vielmehr um das Wohl von Banken und Wirtschaft: Gerade bei der Erbschaftssteuer gab und gibt es großzügige Ausnahmen für reiche Erben: Ende 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht bestimmte Paragraphen des betreffenden Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. Bis dahin waren etwa Betriebsnachfolger wesentlich bis gänzlich steuerbefreit – unabhängig von der jeweiligen Steuerklasse. Ende 2016 wurde das Gesetz zwar novelliert, doch gibt es immer noch genügend Ausnahmen, um zu 85 oder 100 Prozent befreit zu werden. Noch kurz vor der letzten Bundestagswahl – im Sommer 2017 – wollte die CSU die Ausnahmen für reiche Erben weiter ausweiten.

Arm und Reich in Deutschland: so ungleich wie 1913

Mit solch einer Politik verstärkt eine seit 12 Jahren von der Union geführte Bundesregierung jedoch nur einen Trend, der seit über vierzig Jahren stetig zugenommen hat: Nach dem Zweiten Weltkrieg verteilte sich das Vermögen noch stärker auf die gesamte Bevölkerung. Ab den 70er Jahren sorgten dann ein wachsender Niedriglohnsektor, die zunehmend geringere Bedeutung der Gewerkschaften und Steuergeschenke an Reiche und Wirtschaftseliten dafür, dass Deutschland heute so ungleich ist, wie zuletzt 1913 – damals vereinten die obersten 10 Prozent der Bevölkerung 40 Prozent aller Einkommen.

Dass sich daran trotz dem schon seit Jahren andauernden Wirtschaftswachstum in Deutschland wahrscheinlich in den nächsten Jahren nichts ändern wird, zeigen auch die Sondierungen zwischen Union und SPD: neben einer stufenweisen Abschaffung des Soli, Entlastung bei der Krankenversicherung und ein Rentenzuschlag für Bedürftige ist in Sachen Umverteilung nicht viel geplant; vielleicht wäre noch eine geplante Erhöhung des Kinderzuschlags für Familien mit niedrigem Einkommen zu nennen. Doch weder wird sich etwas an der Erbschaftsteuer ändern, noch wird es, wie von der SPD gefordert, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes geben oder konkrete Maßnahmen zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern.

Es bleibt wohl alles wie gehabt, eben Merkelstyle.


Julian Daum

Julian hat beruflich auf Wörter gesetzt, schreibt und liest daher oft. Meistens über Wirtschaft, Politik und Popkultur. Wohnt im Internet, geht aber manchmal raus zum Spielen.

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