„Solidaritätsfonds der Versicherer wäre jetzt angebracht“

Detlef Pohl Corona Berater Recht & Haftung Versicherungen Top News

Betriebsschließungen durch Behörden wegen des Corona-Virus belasten Versicherte, Makler und Versicherer. Auskunft zur aktuellen Lage gibt Dr. Hans-Georg Jenssen, Vorstandschef des Bundesverbandes Deutscher Versicherungs-Makler (BDVM), im Interview.

Hans-Georg Jenssen (rechts), Chef des Maklerverbandes BDVM, spricht sich für einen Solidaritätsfonds der Versicherer aus.

Hans-Georg Jenssen (rechts), Chef des Maklerverbandes BDVM, spricht sich für einen Solidaritätsfonds der Versicherer aus. Bild: Pohl

procontra: Die Versicherer halten Pandemien für nicht versicherbar und lehnen vermehrt Versicherungsschutz wegen Betriebsschließung ab (procontra berichtete). In welchen Branchen greift Versicherungsschutz wegen behördlich angeordneter Betriebsschließungen bei Epidemien und Seuchen überhaupt?

Hans-Georg Jenssen: Wir reden hier vor allem vom Hotel- und Gaststättengewerbe, dem Lebensmittelhandel und dem Heilwesen. Unterm Strich können wohl nur zehn Prozent der gesamten Wirtschaft auf entsprechenden Schutz durch eine Betriebsschließungsversicherung (BSV) bauen. Die Mehrheit war gegen Betriebsschließungen wegen Epidemien und Seuchen schlicht nicht versicherbar. Den Bedarf hatte vor Corona aber auch niemand so richtig auf dem Schirm.

procontra: Was ist überhaupt versichert?

Jenssen: Meist geht es nur um Minimaldeckungen im Vergleich zum Gesamtumsatz der Betriebe. Die Schäden, die durch einen Betriebsstopp durch Corona entstehen, sind damit eher rudimentär abgesichert, da nicht der Umsatzverlust ersetzt wird, sondern nur laufende Betriebskosten wie Miete, Löhne, Kredit- und Leasingraten. Dies wäre in der jetzigen Krise aber bereits sehr wichtig.

procontra: Welche Tendenz zur Entschädigung beobachten Sie bei den Versicherern?

Jenssen: Im Gesetz stand das Corona-Virus vor dem 1. Februar noch nicht. Daher wollen nach unserer Beobachtung viele Gesellschaften keine Deckung aus der BSV gewähren. Ihr Hauptargument: Da das Corona-Virus nicht in den AVB aufgelistet war, kann es auch nicht versichert gewesen sein. 

procontra: Welche Versicherer zahlen anstandslos gemäß Bedingungen?

Jenssen: Wie von unseren Mitgliedern zu hören ist, reagieren einige bislang kundenfreundlich, darunter der HDI. Ich hoffe, diese Liste wird in den nächsten Wochen noch größer.

procontra: Warum wollen viele Versicherer nicht leisten?

Jenssen: Hauptsächlich aus zwei Gründen: Die Betriebe wurden präventiv geschlossen, ohne dass Mitarbeiter erkrankt waren. Und: Corona ist namentlich in den AVB nicht aufgeführt. Dabei wurde das Virus per Eilverodnung zum 1. Februar zu einem nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheitserreger erklärt. Wir halten die Ablehnungen in den meisten Fällen für vorgeschoben.

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