In einem Sozialstaat zu leben hat zweifelsohne zahlreiche Vorteile. Doch zwickt und ächzt es im Getriebe an mancher Stelle. Reformen – so scheint es zumindest – stehen an der Tagesordnung. Doch wo stehen überhaupt Reformen an? Und wo herrscht mehr Schein als Sein?
Der Sozialstaat
Dabei stellt sich zuerst die Frage: Was ist der Sozialstaat? Laut der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) setzt sich soziale Gesetzgebung aus mehreren Faktoren zusammen. Darunter fallen zum Beispiel:
- Die gesetzliche Krankenversicherung
- Gesetzliche Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Unfall oder Arbeitsunfähigkeit
- Soziale Leistungen wie Kindergeld, Erziehungsgeld, Wohngeld, Hartz IV
Weiterhin entspricht der kostenlose Besuch staatlicher Schulen und Hochschulen dem Sozialstaatsgedanken, Und auch Studiengebühren, die die tatsächlichen Ausbildungskosten bei weitem nicht decken, sind konform mit der Grundidee des Sozialstaats.
Sozialleistungen verschlingen Milliarden
All das bringt eine zweite Frage mit sich: Wer bezahlt das alles? Der Staat hatte sich in den vergangenen Jahrzehnten öfters mit Steuererhöhungen beholfen, um die Kassen aufzufüllen. Denn die Leistungen, die er zahlt, werden vielfältiger und damit teurer. Zum Vergleich: Im Jahr 1991 hatten ihn die Sozialleistungen noch 424 Milliarden Euro gekostet. 2009 waren es 754 Milliarden Euro, von denen fast ein Drittel für die Altersversorgung abging. Mit zunehmendem Alter der Bevölkerung wird dieser Anteil künftig weiter wachsen. Die Regierung versucht daher, jüngere Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben.
Frei nach Martin Luther
Gleichzeitig müht sie sich um Reformen, die bestehende Sozialsysteme aktualisieren sollen. Einerseits kann es dabei um Kostenersparnisse gehen, andererseits reagiert der Gesetzgeber auf sich verändernde Rahmenbedingungen. Ein Beispiel dafür ist die große Rentenreform von 1957, die unter anderem das Leistungsniveau deutlich anhob und die „dynamische Rente“ etablierte. Diese ermöglichte es Rentenbeziehern, regelmäßig an der Wohlstandsentwicklung teilzuhaben.
Im Januar 2022 traten weitere (wenn auch kleinere) Veränderungen am Rentensystem in Kraft. Zum Beispiel soll das Renteneintrittsalter bis 2030 graduell auf 67 Jahre steigen. Außerdem gibt es eine bessere Absicherung bei Erwerbsminderung und eine Veränderung bei der Beitragsbemessungsgrenze. Vonseiten der Wirtschaft kam darüber hinaus wiederholt die Forderung, das Rentenalter doch auf 70 zu erhöhen. So hatte erst kürzlich der Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf für die Rente mit 70 geworben. Wie der ZDF berichtet, sperrten sich die Ampelfraktionen jedoch dagegen. Aktuell sterben 15 Prozent aller älteren Menschen, bevor sie das gesetzliche Renteneintrittsalter erreichen – eine Erhöhung sei ungerecht.
Weitere Details dazu stellt die Deutsche Rentenversicherung zur Verfügung.
Hasta la Hartz IV
Außerdem steht derzeit eine Reform des Arbeitslosengelds Hartz IV auf dem Programm. Oder eher: Die Abschaffung. Der Tagesschau zufolge verbinden viele Menschen mit Hartz IV soziale Kälte und den Abschied des Sozialstaats – die Koalitionsparteien haben daher vor, stattdessen ein sogenanntes Bürgergeld einzuführen. Unter anderem sollen Jobcenter künftig großzügiger mit der Lebenssituation von Leistungsempfängern umgehen und diesen einen möglichst schnellen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Außerdem ist eine Neuregelung der Sanktionen geplant, die Hartz-IV-Empfänger fürchten müssen, falls sie sich nicht an Vereinbarungen mit dem Jobcenter halten.
Die Riester-Reform
Und zuletzt haben verschiedene Regierungen seit Jahren die Reform der Riester-Rente auf der To-Do-Liste. Bereits die Große Koalition hatte die Reform wieder und wieder verschoben, und bei der Ampelkoalition könnte es nun in ähnlicher Form weitergehen. In diesem Jahr werde die Reform ebenfalls nicht kommen, erklärte Pascal Kober, sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion im Frühling. Die Stabilisierung der gesetzlichen Rente und die Einführung der sogenannten Aktienrente seien fürs Erste wichtiger. Aber auch diese beiden Reformen seien frühestens Ende 2022 zu erwarten. Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP festgelegt, einen öffentlich verantworteten Fonds als Angebot mit Abwahlmöglichkeit zu prüfen. Für laufende Riester-Verträge soll es jedoch einen Bestandsschutz geben.
Wir halten hier im WWK Collectiv weiter über die Veränderungen und Reformen auf dem Laufenden.
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