Rund um Instagram ist eine millionenschwere Industrie von Visual Marketing Apps entstanden

Anwendungen wie Canva, Unfold und Storrito erfüllen neue Bedürfnisse im Marketing

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Die australische Influencerin Xanetia Unnarea führt in einem Youtube-Video vor, welche Apps sie benutzt, um ihre Instagram Stories zu bearbeiten – im Bild gerade "Hype Type"

Wie kann ich mich auf Instagram mit meinen Fotos, Stories und Videos innerhalb der unglaublichen Masse an Content abheben? Weil sich diese Frage wegen des enormen Erfolgs der Plattform immer mehr Influencer und Unternehmen stellen, ist im Schatten von Instagram eine eigene Subbranche entstanden: Firmen, die Software entwickeln, mit der ihre Nutzer Bilder und Clips gestalten und verschönern können. OMR zeigt, wie groß der Markt bereits ist und schildert die kuriosen Blüten, die er treibt.

Investitionen in Höhe von 60 Millionen US-Dollar hat gerade ein israelisches Unternehmen eingesammelt, dessen erfolgreichstes Produkt eine App ist, mit der ihre Nutzer ihre Selfies aufhübschen können: Mit Facetune von Lightricks können die Nutzer ihr Gesicht schlanker machen als es ist, Hautunreinheiten weg retuschieren, die Zähne aufhellen oder sogar nachträglich virtuelles Make-up auftragen. Der Download der App ist kostenlos, aber wer alle Features nutzen möchte, muss ein Abonnement abschließen, das je nach Dauer zwischen drei und sechs Euro pro Monat kostet.

300 Mitarbeiter entwickeln Aufhübschungs-Apps

Schaut man sich YouTube-Videos an, in denen Influencer die von ihnen genutzten Bild- und Videobearbeitungs-Apps vorstellen, ist auf deren Smartphone-Home-Screens sehr häufig auch das Facetune-App-Icon zu sehen. Zwar mag sich nicht jedes Netzsternchen dazu bekennen, die App zu nutzen. Doch ganz offensichtlich sind in einer Zeit, in denen sich Nutzern der angesagtesten Social-Media-Plattform beim Durch-Scrollen größtenteils makellose Gesichter und Körper darbieten, viele dazu bereit, Anwendungen wie Facetune zu nutzen.

100 Millionen Downloads und fast eine Million zahlender Abonnenten verzeichnet Lightricks bislang mit allen Apps, wie das Unternehmen gegenüber Venturebeat erklärte. Zum Produktportfolio der von fünf israelischen Doktoranden gegründeten Firma gehören weitere Tools, mit denen die Nutzer auf unterschiedliche Weise ihre Bilder und Videos gestalten und verschönern können. Lightricks beschäftigt nach eigenen Angaben 300 Mitarbeiter. In diesem Jahr rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz von 50 Millionen US-Dollar, im kommenden sollen es 100 Millionen US-Dollar werden.

Zum Unicorn mit Slide- und Social-Media-Vorlagen

Mit der jüngsten, vor zwei Wochen verkündeten Funding-Runde, hat Lightricks Investitionen von insgesamt 70 Millionen US-Dollar eingesammelt. Dazu, auf Basis welcher Unternehmensbewertung die jüngste Kapitalerhöhung erfolgte, machte das Unternehmen öffentlich keine Angaben. Es wäre jedoch sehr erstaunlich, wenn Lightricks nicht mindestens einen mittleren neunstelligen Betrag wert wäre.

Das australische Unternehmen Canva ist seit Januar dieses Jahres bereits ein „Unicorn“: Nach der jüngsten Funding-Runde in Höhe von 40 Millionen US-Dollar soll die Firma eine Milliarde US-Dollar wert sein. Eigentlich ist Canva eine Graphic-Design-Software für den Desktop, mit der die Nutzer optisch ansprechende Präsentationsfolien gestalten können. Doch die per Abo-Modell zur Verfügung gestellten Canva-Templates werden von den Nutzern zunehmend für Social-Media-Posts verwendet.

Stories sind das Format der Stunde

Zudem verschiebt sich die Nutzung von Canva offenbar auch mehr auf Smartphones. Im Januar bezifferte das Unternehmen die Nutzerzahl auf zehn Millionen. Das Berliner App-Statistik-Tool Priori Data schätzt, dass die iOS- sowie die Android-App von Canva in den vergangenen zwei Jahren demgegenüber zusammengerechnet fast 30 Millionen Mal heruntergeladen worden sind. Das Listing im App-Store soll unverkennbar Nutzer ansprechen, die Tools suchen, um ihre Instagram- (und Facebook- und Pinterest-) Posts und Stories aufzuhübschen.

Mit diesen Screenshots buhlt Canva in Apples App-Store um neue Nutzer

 

Vermutlich hat der Aufstieg des Story-Formats den Bedarf an entsprechenden Design- und Marketing-Apps noch einmal steigen lassen. Wer seinen Followern von unterwegs aus schnell einen Einblick in die jüngsten Ereignisse aus dem eigenen Leben gewähren will, der trotzdem optisch ansprechend sein soll, will dafür ungern an einen Desktop-Rechner wechseln. Nach Darstellung von Facebook verzeichnen Instagram Stories 400 Millionen Daily Active Users (Angabe aus dem Juni 2018), WhatsApp sogar 450 Millionen (Mai 2018) und auf Facebooks Hauptplattform sollen Stories laut Zahlen aus dem September 300 Millionen DAU verzeichnen. Bereits im Earnings Call zum vierten Quartal des Jahres 2017 hatte Mark Zuckerberg prognostiziert, dass Stories bald Posts und Bilder als jenes Format ablösen werden, das die Nutzer am häufigsten teilen.

Die Entwicklung der Nutzerzahlen des Story-Formats auf den verschiedenen Plattformen (Grafik: Statista)

Selena Gomez und Sergio Ramos nutzen Unfold für Instagram Stories

Zuletzt hat vor allem die App Unfold vom Aufwind durch den Stories-Boom profitiert. Mit der App, die von zwei Mitzwanzigern in New York entwickelt worden ist, können Nutzer Stories im zeitgemäßen Magazin-Look gestalten. Die Nutzung der umfangreichen Grundfunktionen ist aktuell kostenlos; die Nutzer können jedoch weitere Template-Sets als In-App-Kauf zu Preisen zwischen 99 Cent und 2,99 US-Dollar erwerben. Das hätten bislang fünf Prozent der Nutzer getan, wie Mitgründer Alfonso Cobo gegenüber Fast Company erklärte.

Weil Influencer Unfold empfohlen haben (angeblich ohne, dass die Macher der App dafür gezahlt hätten), hat diese zuletzt viele Downloads verzeichnet, zeitweise 100.000 am Tag. In diversen Ländern war Unfold bereits auf Platz 1 des App-Stores, darunter Italien, Spanien, Tschechien, Indonesien und Malaysia. Elf Millionen Mal soll die App insgesamt heruntergeladen worden sein; durchschnittlich verzeichnet sie 3,5 Millionen Monthly Active User, wie die Gründer gegenüber CNBC erklärten. Zu den Nutzern sollen angeblich die Sängerin Selena Gomez, die Sängerin und Schauspielerin Ashley Tisdale und der Real-Madrid-Fußballer Sergio Ramos sowie Unternehmen wie Topshop, Four Season, Interscope Records und der Fußballverein Arsenal London gehören.

130 Millionen Downloads von Instagram Editing Apps

Für das gesamte Jahr 2018 rechnen die Macher von Unfold mit einem Umsatz von 2,6 Millionen US-Dollar. Wie die beiden Gründer gegenüber Fast Company erklärten, hätten sie zuletzt Angebote von Investoren auf Basis einer Bewertung von zehn Millionen US-Dollar erhalten. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 13 Mitarbeiter. Die beiden Macher haben angekündigt, demnächst eine Instagram-Story-Agentur gründen zu wollen.

Unfold ist nicht die erste App, die sich auf Video- und Bildbearbeitung für Instagram fokussiert. Wer die Empfehlungen von Influencern durchforstet und den App-Stores mit entsprechenden Keywords sucht, stößt auch auf Namen wie Over, Inshot (iOS / Android), Hype Type (iOS / Android), Cutstory (nur iOS), Ripl und Mojo. Eine Analyse von OMR mittels Priori Data hat ergeben, dass die wichtigsten Apps in den vergangenen zwei Jahren zusammengerechnet mehr als 130 Millionen Mal heruntergeladen worden sind und bislang mehr als 17 Millionen US-Dollar alleine an In-App-Umsätzen verzeichnen.

(Quelle: Priori Data)

Influencer verkaufen selbst erstellte Filter für 200 US-Dollar

Angesichts dieses offensichtlichen Bedarfs ist es wenig erstaunlich, dass auch Adobe, absoluter Marktführer im Bereich Bild- und Videobearbeitungs-Software, Apps anbietet, mit denen die Nutzer schnell und unkompliziert auf ihrem Handy visuellen Content für Social Media gestalten können. Mit Adobe Spark Post können die Nutzer Bilder, mit Spark Video entsprechend Videos sowie animierte und mit Schrift versehene Instagram Clips bearbeiten und gestalten. Auch die professionelle Foto-Bearbeitungs-Software Lightroom existiert in einer App-Version (iOS / Android).

Die kurioseste Entwicklung innerhalb der aufkeimenden Industrie der Visual Marketing Tools: Weil die Nutzer von Adobe Lightroom seit Juni diesen Jahres eigene „Presets“ (also quasi Filter) mobil erstellen und mit anderen teilen können, entwickeln Influencer nun ihre eigenen Presets und verkaufen diese in der Regel für zweistellige, teilweise aber auch dreistellige US-Dollar-Beträge, wie The Atlantic in einem lesenswerten Artikel zeigt. Mit Filtergrade.com ist in Folge offenbar sogar eine Art Marktplatz für solche „Influencer Presets“ entstanden.

Storrito: Ein deutscher B2B-Player für den Desktop

Mit Storrito ist seit einiger Zeit ebenfalls ein Instagram-Story-Editing-Tool aus Deutschland am Markt vertreten. Die Software ist bislang nur in einer Desktop-Version verfügbar. Sie richtet sich jedoch auch eher an Unternehmen, die Marketing mit Instagram Stories betreiben wollen. Mit Storrito können die Nutzer Instagram Stories erstellen und gestalten, die Medienelemente für ihre Stories verwalten sowie Stories terminieren, so dass diese zu einem späteren Zeitpunkt automatisiert gepostet werden.

Sedo– und Adblock-Plus-Macher Tim Schumacher ist in Storrito investiert. Laut der Firmen-Website gehören Unternehmen wie ProSieben, RTL und Disney zu den Kunden. Auch OMR verwendet Storrito, um Stories zu gestalten und zu posten.

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Roland Eisenbrand
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Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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